Trotz steigender Zinsen hat man nicht das Gefühl, dass die Preise signifikant fallen. Die Inflation ist deutlich hartnäckiger, als von vielen Experten erwartet wurde.
Sowohl die europäische als auch die amerikanische Notenbank kämpfen um die Geldwertstabilität in ihren jeweiligen Währungsräumen. US-Notenbankchef Jerome Powell hat zuletzt immer wieder bekräftigt, dafür auch eine Abschwächung der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts in Kauf zu nehmen.
Damit sollte laut Fed-Prognosen die Kerninflationsrate bereits im kommenden Jahr wieder auf 2,6 Prozent fallen und dann 2025 mit 2,1 Prozent praktisch wieder das Zielniveau erreicht sein. Die EZB ist ähnlich optimistisch, sodass beide Notenbanken erwarten, schon 2025 ihren Sieg gegen die Inflation verkünden zu können.
Allerdings kommen langsam Zweifel auf, dass dieses Ziel so schnell erreicht werden kann. Zwar hat der Anstieg der Verbraucherpreisinflation auch wegen der gefallenen Energiepreise den Höhepunkt vermutlich überschritten, doch verbirgt sich unter der Oberfläche ein harter Inflationskern in Form stark steigender Lohnkosten. Nach wie vor gibt es in den USA rund vier Millionen mehr offene Stellen als Arbeitssuchende, was den Arbeitnehmern eine starke Verhandlungsposition einräumt, auch wenn sie überwiegend nicht gewerkschaftlich organisiert sind. So ist die US-Kerninflationsrate * im Gegensatz zum allgemeinen Verbraucherpreisindex in den vergangenen Monaten kaum gefallen – sie lag im März immer noch bei 5,6 Prozent.
In der Eurozone ist die Situation ähnlich. Hier hat die Kerninflationsrate im März sogar ein neues Rekordhoch von 5,7 Prozent erreicht und lag im April erneut bei sehr hohen 5,6 Prozent. Die aktuellen Tarifverhandlungen bei der Bahn und im öffentlichen Dienst in Deutschland – mit geforderten Lohnerhöhungen jenseits von zehn Prozent – haben Symbolcharakter und werden sich mit etwas Zeitverzögerung auch in höheren Preisen für Dienstleistungen und Güter niederschlagen.
Es ist nicht so, dass man den Notenbanken mangelnde Aktivität vorwerfen kann, im Gegenteil. Sie haben den Worten Taten folgen lassen und die Zinsen so schnell und so stark erhöht wie seit vierzig Jahren nicht mehr. In den USA liegt der Leitzins, die Federal Funds Target Rate, mittlerweile schon bei 5,0 bis 5,25 Prozent und damit fünf Prozentpunkte höher als noch vor einem Jahr.
In der Eurozone ist der Einlagenzins bei der EZB inzwischen auf 3,25 Prozent und der Refinanzierungszins für die Banken auf 3,75 Prozent gestiegen. Beide Zentralbanken zeigen sich kampfbereit und haben weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt, falls sich die Inflation weiterhin als hartnäckig erweisen sollte.
Ob das allerdings reichen wird, der Inflation das Genick zu brechen, darf bezweifelt werden. Wir sollten uns auf einen längeren Zeitraum höherer Inflationsraten einstellen. Wie im Text erwähnt, ist dabei nicht die in den Medien kommunizierte Inflationsrate wichtig – vielmehr sollte der Blick auf die Kerninflation gerichtet werden. Diese bleibt uns wahrscheinlich deutlich länger auf einem hohen Niveau erhalten.
Herzlichst, Ihr Stansch-Team
* Erläuterung: Kerninflation
Als Inflation versteht man die stetige Steigung der Preise von Gütern und Dienstleistungen und die damit einhergehende Senkung der Kaufkraft des Geldes. Hierfür werden ausgewählte Güter und Dienstleistungen betrachtet, die repräsentativ für den Verbrauch eines durchschnittlichen Haushalts sind. Die Kerninflation umfasst grundsätzlich dieselben Aspekte wie die Inflation, allerdings werden in ihr keine Güter und Dienstleistungen umfasst, die eine hohe Schwankung bei Preisänderungen aufweisen. Hierunter fallen der Nahrungs- und Energiesektor sowie in manchen Modellen Tabakwaren und Produkte mit administrativ festgelegten Preisen. Da es kein vereinheitlichtes Modell für die Bestimmung der Kerninflation gibt, kann es hier zu Unterschieden bei Bemessungen kommen.