Um es klar und deutlich zu sagen: Der russische Angriff auf die Ukraine wird beiden Volkswirtschaften schweren Schaden zufügen. Die starke Beziehung der Ukraine zu den globalen Kapitalmärkten sowie die internationale Hilfe für die ukrainische Regierung seitens des Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU und anderer Akteure werden die Ukraine entscheidend unterstützen. Russland wurde dagegen bisher als ein starkes Schwellenland eingestuft, was dem Land den Beinamen „Festung Russland“ eingebracht hat. In den letzten Tagen war eine rasante Eskalation der gegen das russische Staatsoberhaupt sowie gegen andere natürliche und juristische russische Personen verhängten Sanktionen zu beobachten. Dadurch wurde dieser festungsähnliche, wirtschaftliche Schutzwall Zug um Zug geschwächt. In ihrer Gesamtheit sind diese Sanktionen bisher beispiellos:
Es ist wahrscheinlich das erste Mal, dass mit derart schwerwiegenden und weitreichenden Maßnahmen gegen eine große Volkswirtschaft vorgegangen wurde. Die Sanktionen haben ihre Wirkung unverzüglich entfaltet und werden in den kommenden Wochen, Monaten und sogar Jahren zu spüren sein. Überdies steuert die russische Wirtschaft angesichts ihrer aktuellen Entwicklung und vor dem Hintergrund einer hohen Inflationsrate auf eine massive und möglicherweise dauerhafte Rezession zu. Russland wird auch unter der wirtschaftlichen Isolierung von weiten Teilen der Weltwirtschaft leiden. Diese dürfte zu einer beträchtlichen Neuausrichtung der globalen Handelsströme und zu einer gewissen Deglobalisierung führen. Energieimporte aus Russland wurden vorerst von den aktuell verhängten Restriktionen ausgenommen. Es ist jedoch unklar, ob diese Situation von Dauer sein kann– entweder, weil Russland die Exporte als Vergeltungsmaßnahme kürzen könnte, oder weil die Bezahlung dieser Exporte in Devisen politisch weniger akzeptabel erscheint.
Deutschland gehört zu den größten Importeuren von Rohstoffen aus Russland und hat Sanktionen in der Vergangenheit eher zögerlich zugestimmt – unter anderem, weil man russische Vergeltungsmaßnahmen fürchtete. Doch nun ist es in Deutschland zu einem politischen Paradigmenwechsel gekommen: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte gravierende Änderungen der langjährigen Haltung Deutschlands zu verschiedenen Fragen an. So sicherte er unter anderem auch zu, die Verteidigungsausgaben kurzfristig deutlich zu erhöhen und militärisches Gerät in die Ukraine zu liefern. Außerdem gab er das strategische Ziel aus, Deutschland weniger abhängig von Rohstoffen aus Russland zu machen. Dazu wird Deutschland bestehende und geplante Pipeline-Projekte mit Russland stoppen. Stattdessen werden durch den Bau von Import-Terminals die Kapazitäten und Möglichkeiten im Bereich Flüssigerdgas (LNG) erweitert. Außerdem sollen höhere Kohle- und Gasreserven aufgebaut und der Ausbau erneuerbarer Energien forciert werden. Anders ausgedrückt: Nordstream 2 sowie der Großteil der deutschen Nachkriegshaltung zu Russland wurden politisch abgeschrieben. Deutschland wird sowohl im Inland als auch im Ausland nach alternativen Energiequellen Ausschau halten müssen. Im Gegenzug wird Russland nach alternativen Abnehmern seiner Rohstoffe suchen müssen, die rund 13 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen und damit das Fundament der russischen Wirtschaft bilden.
Angesichts der Fragen rund um die Energiesicherheit in Deutschland und Europa dürften die Preise für Energie und Agrarrohstoffe („Soft Commodities“) hoch bleiben. Es wird sich das Wachstum der Weltwirtschaft aufgrund der hohen Energiepreise, der Unsicherheit und – im Falle Europas – der neuen Beeinträchtigungen der Lieferketten verlangsamen. Die reale Kaufkraft wird aktuell bereits durch die höchste Teuerungsrate seit zehn Jahren belastet. Um einen weiteren Rückgang der Kaufkraft zu verhindern, dürften die Regierungen die Energiepreise nach oben begrenzen und damit die Last der Anpassung erneut von den privaten auf die öffentlichen Haushalte verlagern. Auf europäischer Ebene könnte dies gegebenenfalls mit einer starken Forcierung von Investitionen in Energieunabhängigkeit kombiniert werden.
Ein Wertpapierkaufprogramm zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie ist nicht länger erforderlich. Dafür könnte ein abruptes Ende der russischen Energielieferungen erhebliche Abwärtsrisiken für das Wachstum mit sich bringen und die Gesamtinflation in die Höhe treiben. In dieser Situation wäre erneut eine Koordination der Fiskal- und Geldpolitik erforderlich. Die Maßnahmen dürften dann denen der vergangenen Jahre stark ähneln.
Folgen für die Märkte
Die internationalen Sanktionen, aber auch die Gegensanktionen Russlands, haben aktuell zu einer Aussetzung des Handels mit russischen Vermögenswerten geführt. Rund 20 % der auf Lokalwährung lautenden, russischen Schuldtitel werden von nicht in Russland ansässigen Personen gehalten. Welche Bedingungen zukünftig an diesen Märkten herrschen, wird ganz eindeutig davon abhängen, wann – und in welchem Kontext – die Feindseligkeiten nachlassen. Die Hürden für eine baldige Rücknahme der Sanktionen, die russische Schuldtitel betreffen, sind jedoch sehr hoch. Aktuell würde kein Investor in russische Staats- und Unternehmensanleihen investieren. Es ist zu befürchten, dass Russland offene Anleihen in Dollar nicht zurückzahlt. Dies hätte einen Staatsbankrott zur Folge.
Allgemeiner betrachtet korrigieren die Märkte ihre Erwartungen hinsichtlich möglicher Zinsanhebungen in den USA und der Eurozone inzwischen langsamer nach unten und erste Gegenbewegungen deuten sich an. Die Industrieländer haben sich bisher als relativ widerstandsfähig gegenüber den aktuellen Entwicklungen erwiesen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Folgeeffekte kurzfristig zunehmen könnten. Mittel – bis langfristig bleiben wir jedoch weiterhin bei einer positiven Einschätzung.
Fazit
Auch an der Börse gilt das Prinzip „Angebot und Nachfrage“. Durch den Ukraine-Krieg sind weltweit riesige Summen von den langfristig lukrativen Aktienmärkten in Cash und Staatsanleihen geflossen. In diesen unverzinslichen Anlagen befinden sich derzeit mehr als 60% des liquiden Weltvermögens. Es ist unserer Ansicht nach nur eine Frage der Zeit, bis ein größerer Teil dieser unverzinslichen Anlagen wieder in die Aktienmärkte zurückfließt. Das wird dann zu starken Kursanstiegen führen. Am Mittwoch konnte man diesen Effekt beobachten, als der DAX {Deutscher Aktienindex} an einem Tag durch verstärkte Käufe um 8% anstieg. Wichtig ist daher aus unserer Sicht, weiterhin in guten Aktienfonds investiert zu sein.
Ein breit aufgestelltes Investmentfondsdepot, wie wir es seit jeher empfehlen, bietet nach wie vor eine hervorragende Möglichkeit, Kapital langfristig zu erhalten bzw. zu mehren.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Ihr Stansch-Team