Inflationsschutz oder Spekulationsobjekt?

Am Finanzmarkt verbreitet sich ein Narrativ: Der Bitcoin schützt vor der steigenden Inflation. Aber ist das so?

Bislang galt sie als größte Gefahr für den Finanzmarkt: die steigende Inflation. Wie sich Anlegerinnen und Anleger am besten dagegen absichern, wird kontrovers diskutiert. Ein immer beliebterer Tipp ist der Bitcoin.

Bestätigt wurde diese Sicht scheinbar zuletzt Mitte November: Denn der Bitcoin erzielte sein jüngstes Rekordhoch just an dem Tag, als das US-Arbeitsministerium bekannt gab, dass die Verbraucherpreise so stark wie zuletzt vor 31 Jahren gestiegen waren. Aber kann eine Anlageklasse, die in den vergangenen sieben Monaten zwischen 65.000 und 30.000 Dollar schwankte, wirklich einen Inflationsschutz bieten?

Hinter dem Narrativ, dass der Bitcoin gegen Inflation schützt, steckt folgende Logik: Der Bitcoin ist so programmiert, dass die Anzahl der Coins auf 21 Millionen begrenzt ist. Das Wachstumstempo wird dabei ständig gesenkt: Die Geschwindigkeit, mit der das Bitcoin-Netzwerk neue Coins erzeugt, wird im Schnitt alle vier Jahre automatisch halbiert. Dieser deflationäre Charakter des Bitcoins ist nicht wegzudiskutieren.

Im Gegensatz dazu werden herkömmliche Währungen wie Dollar oder Euro von Zentralbanken ausgegeben. Deren expansive Geldpolitik hat dazu geführt, dass das Geldangebot in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen ist. So ist in den USA die Geldmenge M2 seit Anfang 2018 um mehr als 50 Prozent gewachsen – die Anzahl der Bitcoin im gleichen Zeitraum nur um zwölf Prozent.

Das begrenzte Angebot an Bitcoin macht ihn offensichtlich auch für Investoren attraktiv. Sie sehen in der Kryptowährung einen Wertspeicher. Ein Indikator für die steigende Nachfrage ist die Menge an Geld, die in Bitcoin-Fonds investiert wird: Seit 2019 sind Berechnungen der US-Bank JP Morgan zufolge netto rund 100 Milliarden Dollar in Bitcoin-Fonds geflossen – mehr als doppelt so viel wie in Gold-ETFs. Das deutet darauf hin, dass Investoren mittlerweile stärker auf die Kryptowährung als auf das Edelmetall setzen. Einige Beobachter sehen darin ein Zeichen, dass Anleger die Kryptowährung als Inflationsschutz nutzen.

Das Rekordhoch am Tag der US-Inflationsdaten stärkt diese These auf den ersten Blick. Allerdings zeigt der Blick auf den Tagesverlauf, dass der Bitcoin an diesem Tag zwar nach den Inflationszahlen einen Höchststand erreichte, seine Gewinne aber wieder abgab und sogar knapp drei Prozent im Minus schloss.

Inflationsschutz als Marketing-Argument
Fachleute sehen daher im Zusammentreffen von Inflationszahlen und dem Bitcoin-Rekord schlichtweg einen Zufall. Zudem kritisieren sie immer wieder, dass das Argument vom Inflationsschutz sich in erster Linie als Marketing-Argument anbiete – vor allem in Zeiten, in denen Anleger durch die steigende Inflation beunruhigt sind.

Ein Blick auf die bisherigen Charts von Bitcoin und Inflation spricht indes gegen einen strukturellen Zusammenhang. Ein Inflationsschutz im klassischen Sinne würde bei steigenden Preisen nominal im Wert steigen. Beim Bitcoin ist das nicht zu erkennen. Es gibt sowohl Hausse-Phasen bei hoher Inflation als auch bei niedriger. Umgekehrt ist der Bitcoin sowohl in Phasen von hoher als auch von niedriger Inflation gefallen. So liegt die US-Inflation bereits seit März über dem Zielwert der US-Notenbank von zwei Prozent und erreichte schon im Mai die Schwelle von fünf Prozent. In jenem Monat brach der Bitcoin aber um mehr als 30 Prozent ein.

Auch der Vergleich mit anderen Anlageklassen legt nahe, dass das Thema Inflation für die Kursentwicklung des Bitcoins nur eine untergeordnete Rolle spielt. So weist der Kurs eine relativ starke Verbindung zum US-Tech-Index Nasdaq 100 auf. Seit Februar 2020 ist die Korrelation positiv – beide Kurse bewegen sich also tendenziell in dieselbe Richtung. Der Nasdaq hat stark von der expansiven Geldpolitik der weltweiten Notenbanken profitiert. Deren Geldschwemme und Niedrigzinspolitik hat zu einem Anlagenotstand geführt, in dessen Folge sich Anleger riskanteren Anlageklassen zuwandten. Die Bewertung von Technologie-Unternehmen basiert auf Gewinnerwartungen für die Zukunft. Eine hohe Inflation entwertet diese Gewinne jedoch. Bitcoin profitieren aktuell einfach von einem risikofreudigen Umfeld.

Einen Inflationsschutz kann nur ein Sachwert bieten. Hinter dem Bitcoin steht allerdings kein realer Wert. Aktien von Unternehmen mit Preissetzungsmacht gelten dagegen eher als Inflationsschutz. Wenn die Kosten steigen, können sie diese langfristig über höhere Preise an die Kunden weitergeben.

Die Volatilität, also die Schwankungsbreite des Bitcoins, ist ein Hauptgrund, der gegen den Bitcoin als Inflationsschutz spricht: Im April lag der Kurs noch bei knapp 65.000 Dollar, stürzte dann ab und lag Mitte Juli noch bei unter 30.000 Dollar, um anschließend auf knapp 69.000 Dollar zu steigen. Korrekturen von 20 Prozent sind beim Bitcoin keine Seltenheit – Teuerungsraten von fünf Prozent damit auszugleichen ist eine riskante Wette. Denn die Volatilität des Bitcoins arbeitet in beide Richtungen: Sie ermöglicht enorme Gewinne, birgt beim falschen Einstiegszeitpunkt aber auch die Gefahr hoher Verluste. Dass Krypto ein sicherer Hafen ist, ist eine Illusion!

Wir wünschen Ihnen einen schönen 2. Advent!

Herzlichst, Ihr Stansch-Team

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