Jens Weidmann ist seit über 10 Jahren Präsident der Deutschen Bundesbank. Der Rückzug kommt überraschend – der Grund könnte die geldpolitische Entwicklung in den Eurostaaten sein.
In einer Zeit, in der erstmals seit vielen Jahren Inflation wieder zu einem ernsthaften und möglicherweise dauerhafteren Problem wird als bisher angenommen, wirkt die Nachricht von seinem Rückzug geradezu wie ein Aprilscherz. Denn gerade in diesen Marktphasen sind die Zentralbanken gefordert und können mit ihren geldpolitischen Maßnahmen für Stabilität sorgen. Ein Umfeld, das auch für Weidmann bestimmt eine gute Herausforderung wäre.
Wir haben in der Vergangenheit schon oft geschrieben, dass man die Geldtheorie der Vergangenheit nicht in die Zukunft projizieren kann. Und so ist auch Weidmanns Rückzug als ein Signal der Frustration über die Entwicklung der Geldpolitik zu sehen.
Wenn in einer Situation, in der die Inflationsrate in Deutschland in diesem Jahr die Marke
von 5 Prozent erreichen dürfte, aus der Europäischen Zentralbank {kurz: EZB} die Einschätzung kommt, dass hier keine geldpolitischen Anpassungen notwendig sind, stellt sich die Frage, ob die EZB das Thema Inflation überhaupt noch einmal ernst nehmen will.
Und wer Weidmanns Haltung aus der Vergangenheit kennt, kann sich vorstellen, dass ihn diese Aussagen zur Weißglut bringen.
Die Protokolle der Zentralbankrats-Sitzungen legen die Vermutung nahe, die meisten Mitglieder der Gemeinschaftswährung interessierten sich vor allem für eine Fortsetzung umfangreicher Käufe von Staatsanleihen – auch nach dem Ende der Pandemie. Weidmann steht mit seinen Warnungen vor einer zu engen Verflechtung von Geld- und Finanzpolitik im Zentralbankrat nicht allein, aber er vertritt nur eine Minderheit in dem Gremium.
Man könnte mit Blick auf die internationale Lage sagen, dass eine solche Verschränkung von Geld- und Finanzpolitik im Zug der Zeit liegt. Aber sie passt – nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen – nicht zu einer Bundesbanktradition, der sich Weidmann verpflichtet fühlt. Die nächste Bundesregierung wird die Möglichkeit haben, die Präsidentschaft der Deutschen Bundesbank mit einer Person zu besetzen, die sich der alten Bundesbanktradition weniger, der modernen Praxis der internationalen Geldpolitik aber stärker verpflichtet fühlt.
Aus Sicht der Deutschen Bundesbank müsste eine hohe Inflation auch von ansteigenden Zinsen begleitet werden. Auf Grund der hohen Verschuldungsquote in Europa ist dies jedoch unmöglich. Weidmanns Entscheidung zeigt aus unserer Sicht einmal mehr, dass es keinen Weg zurück gibt und die Zinsen dauerhaft niedrig bleiben müssen – auch wenn sich die Inflationsrate nachhaltig auf 3 – 4 Prozent einpendelt.
Diese Entwicklung ist für uns der „Dreh- und Angelpunkt“ für unsere Investmententscheidungen. Egal, ob ein Immobilienentwickler in China pleite ist oder wir eine Ampel-Regierung bekommen. Solange der Niedrigzins zementiert ist und die Inflation ansteigt, spricht alles für eine hohe Gewichtung von Aktien und Gold bei der Vermögensanlage.
Herzlichst, Ihr Stansch-Team