Viele Jahre haben die weltweiten Notenbanken die Bekämpfung der Inflation in den Mittelpunkt ihrer geldpolitischen Strategie gestellt. Als Inflationsziel galt die Marke von 2%. Bei einem Überschreiten signalisierten sie den Märkten, dass sie mit Zinserhöhungen gegensteuern wollten. Das funktionierte im Großen und Ganzen über Jahrzehnte recht ordentlich. Doch seit der Finanzkrise hat sich der Kurs geändert. Die Notenbanken fluten die Märkte mit immer mehr Geld und die Zinsen liegen heutzutage bestenfalls bei Null. Mit dem Ziel, die Wirtschaft anzukurbeln, verharrte die offiziell ausgewiesene Inflationsrate oft weit unter der angestrebten Zielmarke von 2 Prozent. Selbst im Wirtschaftsboom mit rekordniedriger Arbeitslosigkeit wollte sich der Preisanstieg nicht beschleunigen – weder in den USA, noch in Japan, noch in Europa.
Jetzt hat die US-Notenbank Fed angekündigt, künftig auch überschießende Inflationsraten zu tolerieren. Das bedeutet, dass die Inflation nach Corona auch deutlich über 2% liegen muss, um die Unterstützungen der Notenbanken finanzieren zu können. Doch was bedeutet dies in der Praxis? Die Fed wird künftig auch 4% Prozent Inflationsrate akzeptieren, ohne die Zinszügel anzuziehen. Ein ähnlicher Strategiewechsel bahnt sich in Europa bei der EZB an. Die Debatte begann im Frankfurter EZB-Hauptquartier bereits im vergangenen Herbst und nicht erst, als Christine Lagarde Mario Draghi als Präsidentin ablöste. Direkt nach dem Kursschwenk der Fed verkündete Philip Lane, der Chefvolkswirt der EZB, dass diese die Geldschleusen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die derzeit als Begründung für alles herhalten muss, weiter geöffnet hält: „Wir können definitiv drauflegen, falls nötig.“ Die Folge dieses Notenbankschwenks: Die 2020er Jahre werden das Jahrzehnt der Null- oder gar Negativzinsen bleiben.
Chancen, Risiken und Nebenwirkungen der Politik
Insolvenzen bleiben erstmal aus. Was sich gut anhört, kann aber ein Problem werden. Denn wo die Zinsen für das Fremdkapital selbst bei höheren Inflationsraten niedrig bleiben, werden auch nicht konkurrenzfähige Firmen überleben und damit die Produktivitätsentwicklung von Volkswirtschaften bremsen.
Weil die Bevölkerung immer älter wird steigt die Sparquote, um für den Ruhestand vorzusorgen. Weil Zinsanlagen keine realen Vermögenzuwächse mehr versprechen, der Zins- und Zinseszinseffekt von den Notenbanken eliminiert wurde, werden Sachwerte in Mode bleiben. Das könnte zur Folge haben, dass z.B. die Marktkapitalisierungen der Tech-Giganten und Quasi-Monopolisten (Google, Apple, Facebook und Amazon) weiter ansteigen – obwohl sie eigentlich schon eine sehr hohe Bewertung aufweisen. Aktien und Immobilien, Gold und andere Edelmetalle haben Konjunktur. Aber es ist auch Vorsicht geboten. Manche Unternehmen, die im Windschatten der Notenbankpolitik extreme Anstiege verzeichnet haben, können auch zur Gefahr werden. Daher sind ein selektives Vorgehen und ein genauer Blick auf die Bilanzen auch in Zukunft wichtige Faktoren bei der Vermögensanlage.
Wer wohlhabend ist, über Aktiendepots verfügt und Immobilien besitzt, wird an dieser finanzpolitischen Entwicklung wahrscheinlich Freude haben. Wer jedoch wenig besitzt oder noch nicht die Möglichkeit hatte, Rücklagen aufzubauen – das ist vor allem die junge Generation – kann sich etwa den Traum vom Eigenheim abschminken. Aus dem eigenen Einkommen werden sich das immer weniger ersparen können – trotz Nullzinsen. Zudem lässt die freigebige und altenfreundliche Sozialpolitik die Vermögensschere zwischen den Generationen sich immer weiter öffnen. Die steigenden Abgaben schmälern die Netto-Einkommen der Jüngeren und die „Erben-Generation“ wird die Zeche bezahlen müssen – das ist bereits sicher.
Herzlichst, Ihr Stansch-Team