Die weltweiten Kapitalmärkte haben im April wieder Fahrt aufgenommen. Der DAX stieg von gut 9500 Punkten auf aktuell 10.700 Punkte. Nach einer Korrektur ist das erstmal nicht verwunderlich. Denn der Anlagenotstand ist ja durch Corona noch stärker ausgeprägt und weltweit ist das Zinsniveau „auf Null“ gefallen. Allerdings ist die Nachrichtenlage rund um den Virus unverändert schlecht. Ausgangsbeschränkungen bleiben bestehen und es gibt weiterhin einen Anstieg der Infizierten. Wie passt das zusammen und welche Frage sollten sich langfristige Investoren stellen?
Nachfolgend versuchen wir uns bei dem Thema etwas anzunähern. Denn eine Prognose, wann die Welt das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 „besiegt“ haben wird, ist aktuell nicht möglich. Es besteht ja auch weiterhin die Gefahr erneuter Ausbrüche. Erst die Verfügbarkeit eines Impfstoffs würde den Menschen die Angst vor einer erneuten Infektionswelle nehmen – und damit eine Vertrauensbasis schaffen, die für einen optimistischen Blick in die Zukunft unerlässlich ist. Bis dahin kann es aber noch sehr lange dauern. Die Restriktionen müssen daher bereits vorher schrittweise gelockert werden, weil der wirtschaftliche und gesellschaftliche Schaden sonst irreparabel wird.
Viele Menschen, vor allem Soloselbständige und Kleinunternehmer, machen sich zunehmend mehr Sorgen um ihre Existenz. Wirtschaft und Gesundheit sind eben keine Gegensätze, sondern bedingen einander. Ohne Gesundheit keine gesunde Wirtschaft und ohne gesunde Wirtschaft keine Gesundheit. Die Wirtschaft ist kein abstraktes Gebilde, das symbolhaft in Form eines Fabrikgebäudes dargestellt werden sollte, sondern die Summe aller Menschen und ihrer Aktivitäten. Wer also den Zusammenbruch des Gesundheitssystems verhindern möchte, darf nicht den Zusammenbruch der Wirtschaft riskieren.
Lockdown:
Wirtschaftliche Folgen…
Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands betrug im vergangenen Jahr rund 3.440 Milliarden Euro. Das entsprach demnach einer Wertschöpfung von knapp zehn Milliarden Euro pro Tag. Wenn 50 Prozent der Wirtschaftsleistung entfallen, weil Tätigkeiten verboten und Lieferketten unterbrochen werden, kostet dies nicht nur fünf Milliarden Euro pro Tag oder knapp 150 Milliarden Euro pro Monat, sondern gefährdet auch die Produktion und Logistik lebensnotwendiger Güter und Dienstleistungen. Und damit die Versorgung der gesamten Bevölkerung.
… und gesundheitliche Folgen
Hinzu kommen gesundheitliche Folgen, weil wichtige Operationen nicht durchgeführt werden können oder Menschen an den Folgen des Shutdowns erkranken. Isolation, Existenzvernichtung oder die Angst davor führen zu Depressionen, Suiziden oder häuslicher Gewalt. Aus gesundheitsökonomischen Studien weiß man, dass große Rezessionen die Lebenserwartung reduzieren. Gerade für junge Menschen können Wirtschaftskrisen zu einer Verschlechterung ihrer Zukunftsperspektiven und einer geringeren Lebenszufriedenheit führen.
Schwierige Entscheidungen
Die verantwortlichen Politiker sind nicht zu beneiden. Sie wandeln bei der Abwägung zu treffender Maßnahmen auf einem schmalen Grat. Auf der einen Seite gilt es, die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden – auf der anderen Seite, die mittelbaren gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden zu begrenzen. Hinzu kommt, dass die Nebenwirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft exponentiell zunehmen. Die ersten Wochen lassen sich noch leicht überstehen. Am Anfang erwischt es nur wenige Unternehmen, oft solche, die ohnehin schon in Schwierigkeiten steckten. Mit zunehmenden Umsatzausfällen – bei gleichzeitig weiterlaufenden Kosten – nimmt die Zahl aber rasch zu und vernichtet auch gesunde Existenzen. Dann beginnen Lieferketten zu reißen, es kommt zu Versorgungsengpässen und Hamsterkäufen, die sich nicht mehr nur auf Klopapier, Nudeln und Mehl beschränken.
Maßnahmen bei einer linearen Virus-Verbreitung
Die Regierungen müssen daher wohl mit Lockerungsmaßnahmen beginnen, sobald die Reproduktionsrate des Virus in der Nähe von eins liegt und die exponentielle Ausbreitung dadurch gestoppt wird. Der Unterschied ist schon nach einigen Wochen gigantisch. Wenn beispielsweise in Deutschland täglich 5.000 positiv getestete Neuinfizierte hinzukämen, wären dies bis Anfang Juni 300.000 neue Fälle. Mit diesem linearen Verlauf hätte das Gesundheitssystem kein Problem. Selbst wenn zehn Prozent davon für durchschnittlich zehn Tage ins Krankenhaus müssten, würden von diesen Patienten nur 5.000 Betten belegt.
Anders ist es, wenn es sich das Virus mit einem höheren Faktor {exponentiell} vervielfältigt…
Bei einem täglichen Zuwachs von fünf Prozent stiege die Summe der insgesamt Infizierten im gleichen Zeitraum auf fast 1,9 Millionen. Wenn von den aktiven Fällen zehn Prozent für durchschnittlich zehn Tage stationär behandelt werden müssten, lägen bereits Anfang Juni gleichzeitig 70.000 Menschen im Krankenhaus, davon rund 20.000 auf der Intensivstation. Die Folge: Unser Gesundheitssystem käme ganz schnell an seine Grenzen.
Eine Öffnung kann nur in Schritten gelingen
Eine sinkende Wachstumsrate der Neuinfektionen deutet auf eine schrittweise Lockerung hin, die aber gegebenenfalls wieder zurückgenommen werden kann. Dieses Szenario ist die einzige Möglichkeit, das Leben wieder zum Laufen zu bringen, bevor es zu einer Kernschmelze der Wirtschaft und anarchischen Auswüchsen in der Gesellschaft kommt. An diesem Punkt könnten epidemiologische Überlegungen in den Hintergrund treten, weil der Schaden für die Menschen und die Gesellschaft nicht mehr zu vertreten wäre.
Flankierende Hilfsprogramme
Flankierend müssen umfassende Hilfsprogramme initiiert werden, die weit über die bisher verabschiedeten Maßnahmen hinausgehen. Die Bundesregierung hat pragmatisch reagiert und einen Nachtragshaushalt über 122,5 Milliarden Euro beschlossen. Dieser gewährt Kleinstunternehmern direkte Zuwendungen – größeren Unternehmen stellt er höhere Kreditlinien zur Verfügung. Zudem soll das Instrument der Kurzarbeit für Beruhigung sorgen. Die an sich sinnvolle Haftungsbeteiligung von Banken {zehn Prozent} erwies sich unterdessen als Bremsklotz bei der Kreditvergabe. Hinzu kommt, dass sich viele kleinere Unternehmen gar keine zusätzlichen Kredite leisten können, weil sie nicht wissen, wie sie das Geld zurückzahlen sollen.
Solounternehmer berichten über zu viel Bürokratie bei der Beantragung der Hilfen. Auch hier sollte noch nachjustiert werden. Deshalb sind weitere Aufstockungen der Hilfsprogramme zu erwarten. Am Ende dürften die Kosten wohl eher bei 300 bis 400 Milliarden Euro liegen – aber die Maßnahmen sind angesichts des Ausmaßes der Krise wohl alternativlos.
Wir wollen Ihnen hiermit aufzeigen, wie vielfältig die Einwirkungen durch Corona sind und welche Hürden in der Zukunft noch genommen werden müssen. Wir sehen aber auch die Chancen, die sich aus der Korrektur ergeben. Aus den derzeitig wieder steigenden Kursen eine Trendwende abzuleiten, halten wir jedoch für verfrüht – auch wenn wir überhaupt nicht traurig wären, wenn sich schnell alles wieder zum Guten wandelt.
Bleiben Sie gesund.
Herzlichst, Ihr Stansch-Team