Wenn die EZB die Schleusen richtig öffnet

Mario Draghi hat in dieser Woche den Zins „bei Null gehalten“. Seiner Nachfolgerin – Christine Lagarde – gibt er aber die Aufgabe mit, in diesem Jahr die geldpolitischen Schleusen noch einmal zu öffnen.

Auf „Super Mario“ folgt „Madame Colombe“ (französisch für Taube) Wir erinnern uns: Als Chefin des Internationalen Währungsfonds {kurz: IWF} stand Lagarde für die großzügige Streichung der griechischen Schulden. Damals konnte nur Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble – der letzte Stabilitäts-Mohikaner Europas – das Schlimmste verhindern.

Tatsächlich kommt mit der EZB-Präsidentin Madame Lagarde einiges auf uns zu. Denn beim IWF wurden geldpolitisch revolutionäre Ideen geboren, denen sie nie widersprochen hat.

In den letzten 10 Jahren wurde versucht, durch Zinssenkungen und Gelddruckerei die Inflation ansteigen zu lassen. Dies hat bekanntlich bis heute noch nicht richtig geklappt. Beim Währungsfonds hat man nun auch große Angst, dass die Weltwirtschaft in die Rezession geraten könnte. Im Extremfall würden sich Arbeitslosigkeit, Firmenpleiten und Börsencrashs gegenseitig weiter hochschaukeln und zu einer irreparablen Depression führen. Dann wäre der Zins- und Tilgungsdienst auf die weltweit mittlerweile circa 250 Billionen US-Dollar Schulden nicht mehr zu leisten. Und dabei brauchen Länder wie Italien Neuschulden wie Drogenabhängige den nächsten Schuss, damit die soziale Lage nicht kippt.

Finanzhistorisch sind die Zinsen in konjunkturellen Notsituationen um drei bis sechs Prozent gesenkt worden. Insofern müssten die aktuell bereits sehr tiefen Zinsen und Renditen noch massiver in den negativen Bereich gedrückt werden. Es soll nicht gekleckert, sondern geklotzt werden. Tatsächlich fordert der IWF Negativzinsen in Höhe von bis zu sechs Prozent als geldpolitischen Normalzustand.

Die banale Logik des IWF dabei: Wird Zinssparen derart bestraft, werden Bürger und Unternehmen ihr Geld ausgeben und investieren. Und wird Kreditaufnahme belohnt, werden sich Staaten hemmungslos verschulden. 

Damit Madame Lagarde nicht schon zu Beginn ihrer Amtszeit stabilitätspolitisch verbrannt ist, wird Mario Draghi ihr die Drecksarbeit abnehmen. Mit der Feststellung einer wirtschaftlichen Eintrübung bereitet er den Weg für die Wiederauflage von Anleihekäufen und erneuten Zinssenkungen.

Inflation soll zukünftig asymmetrisch betrachtet werden Bei Preisschwäche ist die EZB-Geldpolitik ohnehin freizügig. Doch selbst wenn die Inflation den Zielwert der EZB von zwei Prozent überschreitet, wird keine Zinsverschärfung durchgeführt.

Erst will man ganz sicher sein, dass die Preisbeschleunigung wirklich nachhaltig ist. So wird ein Paragraph in den Gesetzen geschaffen, der dehnbar ist wie ein Gummizug. Und natürlich kennt man auch bei der EZB die Annehmlichkeit, dass Inflation, die nicht von Zinsen ausgeglichen wird, Staatsschulden galant entsorgt. Nichts Anderes tun übrigens die USA seit Kriegsende.

Unter Lagarde werden Finanz- und Geldpolitik nicht mehr getrennt, sondern zu Blutsbrüdern Der EZB geht es eben um die Stabilität der Eurozone, nicht um die Stabilität der Finanzen. Um sie zu erhalten, darf z.B. Schulden-Italien niemals Bankrott gehen oder sogar den gemeinsamen Währungsraum verlassen. Sozialpolitik geht vor Ordnungspolitik. Daher muss geldpolitische Planwirtschaft marktwirtschaftliche Preisfeststellungen von Anleihen aushebeln. Oder anders gesagt: Die Zinsen müssen runter! In diesem Zusammenhang werden auch noch die heiligsten Stabilitäts-Kühe geopfert. Die Trennung von Finanz- und Geldpolitik wird aufgehoben. Sollte also kein privater Investor italienische oder griechische Staatsanleihen zu Minusrenditen abnehmen, muss die Notenbank ran. Gemäß Pippi Langstrumpf macht sich die Finanzpolitik die Schuldenwelt mit Hilfe der EZB wie sie ihr gefällt. Wenn Schuldenländer keine Zinsen mehr zahlen, sondern sogar noch Gutschriften erhalten, wären sie keine Ökonomen, wenn sie nicht beherzt neue Schulden machten. Dieser Sündenfall wird moralisch mit den angeblich edlen Motiven des Staates geheilt, der an das Gemeinwohl denkt. Gerne wird auch auf Amerika und China verwiesen.

Dort finanziert die Notenpresse Wirtschaftswachstum. Ist es da nicht ein Gebot der europäischen {Geld-}Politik, dem amerikanisch-chinesischen Beispiel schon aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit zu folgen? Die Politiker können übrigens auch ganz gut damit leben, dass man mit einer radikalen Negativzinsstrategie – quasi im Vorbeigehen –  eine Währungsabschwächung des Euro und damit Exportstimulierung begünstigt. Eines muss uns heute bereits klar sein: Unter der Ägide von Madame Lagarde wird die EZB endgültig zum Staatsfinanzierer.

Bonjour Tristesse, liebe Zinsanlagen Wenn Lagarde die Vorschläge ihres IWF auch nur ansatzweise befolgt, frustriert Zinssparen noch mehr. Aber in der Eurozone geht es nicht um hohe Anlagezinsen, sondern um niedrige Kreditzinsen. Sparer werden also noch mehr enteignet. Dabei ist dieser zinslose Kapitalismus eine Einbahnstraße. Je länger man sie befährt, umso mehr macht eine zinspolitische Wende real- und finanzwirtschaftlich alles kaputt. Leider ist der point of no return längst erreicht. Wir sind fest davon überzeugt, dass es keine attraktiveren Zinsen mehr geben wird, solange die Eurozone existiert. Zukünftig hat die EZB mit der Deutschen Bundesbank so viel gemeinsam wie ein Schweineschnitzel mit Tofu.

Anleger brauchen einen Plan B Wer Rendite will, kommt an Aktien und Dividenden nicht vorbei. Und tatsächlich: Obwohl der Handelskrieg bestenfalls eine Feuerpause macht, selbst China wirtschaftlich schwächelt und es momentan eine Inflation an Gewinnwarnungen von zyklischen Unternehmen gibt, zeigen sich Aktien sehr stabil.

Und wer weiß, ob die EZB nicht irgendwann auch noch anfängt, Aktien aufzukaufen. Das haben die Notenbanken der Schweiz, Japans und der USA auch schon getan. Die EZB war doch immer schon ein Nachzügler.

Herzlichst, Ihr Stansch-Team

 

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