Wer nicht sofort weiß, was es damit auf sich hat, muss sich nicht grämen – selbst in vielen Expertenrunden sieht man über den Köpfen viele Fragezeichen, wenn jemand dieses Thema in den Raum stellt. Wenn man sich jedoch das Projekt dieser europäischen Währungsunion auf Basis einer Gold- und Silberwährung aus dem 19. Jahrhundert anschaut, entdeckt man erstaunliche Parallelen zu unserem heutigen Euro.
Im Jahr 1865 wurde von Frankreich, Belgien, der Schweiz und Italien ein Vertrag für gemeinsames Geld, bestehend aus Gold- und Silbermünzen, geschlossen. Ziel dieser Vereinigung war es, ein „Welt-Geld“ zu schaffen. Bereits sehr früh wurde klar, dass es doch sehr unterschiedliche Positionen gab und ein Scheitern dieses Projekts unabdingbar war. Trotzdem wurde das Konstrukt noch viele Jahre aufrechterhalten, da alle Mitgliedsländer die Kosten eines Austritts scheuten. Denn von Anfang an gab es gewichtige Probleme bei der Umsetzung des Vertrages. Bereits 1866 begann Italien damit, Papiergeld herauszugeben, das nicht in Gold und Silber eingetauscht werden konnte. Dies verstieß zwar nicht gegen die Regeln des Vertrages, wohl aber gegen seinen Sinn. Erst etwas später {1869} trat Griechenland der Münzunion bei. Damals wie auch heute wurde auf den politischen und ökonomischen Zustand des Landes nicht geachtet. Viel wichtiger schien zu diesem Zeitpunkt, den Umfang der Münzunion auf weitere Staaten auszweiten. An beiden Ländern, Griechenland und Italien, lassen sich die Parallelen zu heute sehr schön festmachen. Auch wenn die Umstände aus dem 19. Jahrhundert alles andere als vergleichbar mit unserer heutigen Welt sind, so muss man sich doch wundern, wie man sich bereits zum zweiten Mal in einer solchen Union verlieren konnte.
Die Motive von damals zeigen auch weitere Parallelen auf: Die Einheitlichkeit der Währung sollte den grenzüberschreitenden Handel vereinfachen. Und auch früher war eigentlich der Weg über das Geld das
politische Ziel, eine Neuordnung Europas jenseits nationaler Grenzen. Was heute oft die „Vereinigten Staaten Europas“ genannt wird, hatte darin bereits einen Vorläufer. Interessanterweise ist die lateinische Münzunion daran gescheitert, dass die Ausgangslagen zu unterschiedlich waren und damit der Versuch der Integration eher zu einem desintegrierenden Prozess führte. Dazu gesellten sich noch viele weitere Themen, aber am interessantesten scheinen doch die Situationen von Italien und Griechenland in diesem Kontext zu sein. Beide Länder hatten schon damals sehr große Probleme mit ihrer Schuldenlast und versprachen sich von der Teilnahme an der Münz- bzw. Währungsunion ein stabileres Geldsystem, um ihre Kreditwürdigkeit langfristig zu erhöhen. In der Praxis nutzten sie jedoch immer die Lücken aus, um weitere Schulden zu
finanzieren. Da aber die geografische Ausdehnung politische Priorität hatte, wurden bereits im 19. Jahrhundert beide Augen zugedrückt. Interessanterweise gab es auch schon bei der Lateinischen Münzunion ein Komitee, das sich um die griechischen Schulden kümmerte. Heutzutage nennen wir dies Troika, die als Verhandlungspartner in den griechischen Schuldenbergen vermitteln soll.
Wir könnten noch eine Vielzahl von Beispielen ergänzen, wollen aber zum Abschluss noch auf eine wichtige Erkenntnis eingehen, die auch in Zukunft zu einer Parallelität zum heutigen Euro stehen könnte: Trotz aller Schwierigkeiten der Union aus dem 19. Jahrhundert hat die lateinische Münzunion von 1865 bis 1914 bestanden – also knapp 50 Jahre. Wie Sie wissen, haben wir 2019 das 20jährige Eurojubiläum gefeiert. Sollte sich die Geschichte wiederholen, haben wir noch einen langen Weg mit der Gemeinschaftswährung vor uns – trotz der bekannten Probleme. Im Gegensatz zu den Politikern aus dem 19 Jahrhundert müssen wir uns jedoch heute vorwerfen, dass es einen Präzedenzfall gab, aus dem man die Probleme hätte ableiten können.
Ein schönes Pfingstwochenende wünscht Ihnen
Ihr Stansch-Team