Zeitspiel

Der Bundestrainer ist in den letzten Tagen um eine Erfahrung reicher geworden: Probleme lösen sich nicht einfach, wenn man die Diskussion für beendet erklärt. Die schlechten Ergebnisse aus den Vorbereitungsspielen und das medienwirksame Treffen der Herren Özil, Gündogan und Erdogan sind am Ende ein Spiegelbild des ersten Weltmeisterschaftsspiels gegen Mexiko.

Schauen wir uns die Europäische Währungsgemeinschaft an: Kommt Zeit kommt Rat. Mit dem Euro ist jetzt wieder alles in Ordnung, und die Probleme der Eurozone lassen sich in den nächsten Monaten lösen. Offenbar gibt es noch viele Investoren, die das glauben. Anders lässt sich der Renditeanstieg bei den zehnjährigen italienischen Staatsanleihen in den vergangenen Wochen nicht erklären.

Die Probleme in Europa und gerade im südlichen Teil des Kontinents waren nie weg, nur weil die Diskussion kurzfristig verpufft ist. Schauen wir auf Italien: Es hat sich in den vergangenen Wochen an Italiens Lage fundamental nichts geändert. Die Wahl ist lange vorbei, das Ergebnis sowie die handelnden Personen sind bekannt und die politische Agenda, die neben einer Parallelwährung auch höhere Haushaltsausgaben und den Anstieg der Staatsschulden vorsieht, ist ebenfalls nicht neu. Und auch die Optionen von Italien für die kommenden Jahre liegen schon lange auf dem Tisch. Im Grunde läuft das italienische Drama schon seit vielen Jahren vor unseren Augen ab. Um genau zu sein seit dem Beitritt in die Eurozone. Die bittere Wahrheit ist, dass die Italiener mit dem Eurobeitritt ihr Wirtschaftsmodell verloren haben. Früher wurde mit dem konstanten Abwerten der Italienischen Lira die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft erhalten: Drohte Italien im Wettbewerb zurückzufallen, weil etwa andere Länder günstiger produzieren konnten, wertete das Land die Währung ab und machte seine Produkte so günstiger. Das System funktionierte bis zur Euroeinführung gut.

Die Notenbankpolitik steckt in der Zwickmühle. Viele Programme wurden in den letzten Jahren gestartet, um die Wirtschaft zu stützen und die Haushaltsbilanzen zu stärken. Passiert ist eigentlich nichts. Zwar können sich die Staaten durch die Niedrigzinsen deutlich günstiger verschulden – allerdings werden die alten Schulden dadurch nicht weniger.

Wir glauben, dass die Zeit in diesem Fall nicht alle Wunden heilen wird und Italien auch durch unzählige weitere Reformen keine wirtschaftliche Stabilität zurückerhält. Die Notenbanken müssen irgendwann umdenken und dann werden sie sich auch eingestehen müssen, dass der Euro in der heutigen Form gescheitert ist. Da hat es Jogi Löw etwas leichter – er kann bereits am morgigen Samstag unter Beweis stellen, dass er und seine Jungs schneller Erkenntnisse verarbeiten und umsetzen. Wenn er allerdings der Auffassung ist, dass das nächste Spiel irgendwie schon besser wird, werden der Abpfiff und die damit verbundene Heimreise sehr schnell kommen. Im Fußball war das Spiel auf Zeit noch nie eine Erfolgsgeschichte – in der Wirtschaft scheint es auch nicht zu klappen.

Ein sportliches Wochenende wünscht

Ihr Stansch-Team

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