Der große Bilanz-Bluff der Dax-Konzerne

In den Bilanzen der Dax-Konzerne haben sich durch viele Übernahmen hohe Summen an sogenannten Hoffnungswerten gebildet. Dies kann für den ungeübten Anleger mit einem bösen Erwachen enden.

Ein Treiber dieser Entwicklung sind die niedrigen Finanzierungskosten. Finanziert werden die teuren Deals nämlich nicht nur mit Cash, sondern vor allem mit billigen Krediten – also mit geborgtem Geld. Dadurch erscheinen auch relativ teure Übernahmen mit hohen Prämien noch rentabel. Die vielen Übernahmen treiben die Verbindlichkeiten der Unternehmen in die Höhe. Das erscheint verkraftbar, denn ob Fresenius, Siemens und SAP: Fast alle großen Unternehmen zahlen ihren Gläubigern weniger als ein Prozent Jahreszins. Fresenius steht für einen weltweiten Trend – einen Trend, der für Anleger gefährlich werden kann. Die rekordtiefen Zinsen treiben die Unternehmen in immer teurere Übernahmen. Folge: Ein immer größerer Anteil der Konzernbilanzen besteht nicht mehr aus harten Aktiva wie Maschinen oder Patenten, sondern aus dem Kaufpreis der übernommenen Firmen. Ob diese Übernahmeobjekte ihr Geld auch im Abschwung wert sind, muss sich erst noch zeigen. Die für die Übernahmen aufgenommenen Schulden bleiben den Konzernen in jedem Fall erhalten. Für Anleger kann diese Kombination schnell zur Falle werden. Im Extremfall droht Konzernen die Überschuldung – und den Aktionären hoher Verlust. Anleger sollten sich daher dafür interessieren, wie stark die Bilanzen der Konzerne durch Firmenübernahmen aufgebläht sind. Allein die 30 Dax-Konzerne erhöhten im abgelaufenen Geschäftsjahr ihre Gesamtverschuldung auf den Rekordwert von 611 Milliarden Euro. Auch 2017 steigen die Aktienkurse weiter. Und mit den Aktien steigen die Preise für Übernahmen. Denn jeder Deal orientiert sich am aktuellen Aktienkurs des Kaufkandidaten. 

Wie viel Geld ein Unternehmen über den wahren Wert hinaus bezahlt hat, lässt sich in der Bilanz auf den Euro genau ablesen. Der Posten dafür heißt Goodwill. Fällt der Kaufpreis für die neue Firma höher aus, als alle Einzelteile wert sind, so wird diese Übernahmeprämie als Hoffnungswert, als Goodwill, in der Bilanz gebucht. Fast alle guten Unternehmen kosten immer etwas mehr, als sie gemessen an ihren Einzelteilen wert sind. Darin spiegelt sich die Hoffnung auf noch bessere Geschäfte wider. Das ist normal. Doch früher waren alle börsennotierten Unternehmen verpflichtet, diesen Aufpreis innerhalb von zehn, spätestens fünfzehn Jahren komplett abzuschreiben. Anleger hatten also die Gewissheit, dass heiße Luft nach Übernahmen peu à peu wieder entweicht – und die Bilanz und damit das Unternehmen nicht mehr belastet. Doch diese Praxis gilt seit 2005 nicht mehr. Die Finanzvorstände definieren seitdem selber, ob und wann Abschreibungen fällig sind. In der Praxis führte dies dazu, dass die Unternehmen fast gar nicht mehr abschreiben. Fresenius zum Beispiel hat durch die vielen Zukäufe seinen Goodwill seit dem Liberalisierungsjahr 2005 von 4,7 auf 22,8 Milliarden Euro fast verfünffacht. Der Berg an Goodwill ist inzwischen sogar um eine Milliarde Euro höher als das gesamte Eigenkapital des Konzerns, also die rechnerische Differenz zwischen Aktiva und Passiva in der Bilanz.

„Abschreibungen drücken das Ergebnis, die Vergütung und den Aktienkurs“, begründet der Bilanzexperte Kai Lehmann vom Vermögensverwalter Flossbach von Storch die beliebte Praxis, den Goodwill einfach gar nicht abzuschreiben. „Abschreibungen sind das Eingeständnis, zu teuer gekauft zu haben, und das mag kein Vorstandschef gern von sich behaupten.“ Deshalb verzichten die meisten Unternehmen einfach ganz auf Abschreibungen des Goodwills.

Die von uns empfohlenen Fondsmanager können diese Bilanzpraktiken und Risiken erkennen und dementsprechend in ihre Anlageentscheidung einfließen lassen. Dadurch kann Ihnen als Anleger ein böses Erwachen erspart bleiben.

Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende

Ihr Stansch-Team!

 

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