Die Raiffeisenbank Gmund kassiert Strafzinsen von Privatkunden. Der Tabubruch ist die Antwort auf die Nullzinspolitik der EZB. Noch beschwichtigen andere Banken, doch das Beispiel könnte Schule machen.
Auf Mario Draghi sind die deutschen Banken nicht gut zu sprechen. Denn der Chef der Europäischen Zentralbank verlangt seit dem Frühjahr 0,4 Prozent Gebühren, wenn die Banken Geld bei der EZB parken wollen. Damit will der Italiener die Geldhäuser dazu zwingen, mehr Kredite zu vergeben. Doch stattdessen sorgt er für Verluste bei den Banken, da diese von Einlagen überflutet werden, aber nicht genügend Kreditnehmer finden.
Draghis schmerzhafte Geldpolitik sorgt nun für den Tabubruch: Erstmals traut sich ein Institut, die Strafzinsen der EZB an seine Privatkunden weiterzureichen. Ab September verlangt die kleine Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee für Beträge von mehr als 100.000 Euro auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto ein „Verwahrentgelt“ von 0,4 Prozent. Zwar haben viele Kreditinstitute den Strafzins schon längere Zeit an Firmenkunden weitergereicht – private Einlagen waren aber bisher geschützt, weil die Banken den Verlust zahlreicher Kunden fürchteten. „Ich gehe davon aus, dass weitere Banken Strafzinsen von Privatkunden verlangen werden, nachdem jetzt der Damm gebrochen ist. Dabei geht es den Banken auch um ein abschreckendes Signal, damit sie nicht mehr hohe Summen neuer Einlagegelder bekommen“, sagt Tomas Rederer, Partner der Beratungsgesellschaft Capco.
Auch Bankenlobbyisten schließen nicht kategorisch aus, dass einzelne Geldhäuser ebenfalls Strafzinsen einführen. „Auslöser ist die fatale Niedrigzinspolitik der EZB, die in immer stärkerem Maße zu spüren ist“, so der Geno-Verband BVR. Doch vor allem drehen Banken an der Gebührenschraube. Viele Geldhäuser haben die Preise für Girokonten bereits angehoben oder kassieren Gebühren für zuvor kostenlose Dienstleistungen. Der Chef der Raiffeisenbank Gmund bringt es auf den Punkt: „Ich kann nicht für jede Million Geldeinlage 4000 Euro hinlegen.“
Ähnliche Überlegungen muss die Deutsche Skatbank, die Internettochter der genossenschaftlichen VR-Bank Altenburger Land, schon vor anderthalb Jahren angestellt haben. Ende 2014 sorgte das Geldhaus für Schlagzeilen: Es verlangt seitdem in bestimmten Fällen für kurzfristige Einlagen von mehr als 500.000 Euro einen Negativzins von 0,25 Prozent pro Jahr. Das gilt, wenn der Kunde insgesamt mindestens drei Millionen Euro Anlagen hat.
Bisher sind die Raiffeisenbank Gmund und die Deutsche Skatbank die großen Ausnahmen. Doch beide Extremfälle machen deutlich, dass die Geldpolitik der EZB in Deutschland nicht das erreicht, was sie will. Eigentlich will EZB-Chef Mario Draghi die Geldhäuser dazu zwingen, mehr Kredite zu vergeben. Doch stattdessen werden die Banken von Einlagen geflutet. Die Sparquote ist zuletzt sogar gestiegen. Mehr Investitionen, wie sie die Notenbank gerne sähe, bleiben also auch aus.